Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 27.10.2022 – Beschluss vom 26.09.2022 – 3 W 55/22
Bei Abfassung eines Testaments bedenkt man häufig nicht, wie sich das Leben entwickeln kann. Im Falle einer Demenz ist man nicht mehr in der Lage, das Testament zu ändern. Nach dem Tode kann es dann zu Streit zwischen den Erben kommen. So in einem vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedenen Fall:
Der Erblasser hatte im Jahr 2005 testamentarisch seine Tochter und seinen Lebenspartner – den Antragsteller – als Erben eingesetzt. 2016 kam der Erblasser wegen weit fortgeschrittener Demenz in ein Pflegeheim. Der Antragsteller heiratete 2020 einen neuen Partner. Der Erblasser verstarb ein halbes Jahr später.
Der Antragsteller beantragte einen Erbschein. Die Tochter des Erblassers widersprach und focht das Testament an. Sie meinte, hätte der Erblasser gewusst, dass sein Lebenspartner sich noch zu seinen Lebzeiten einem neuen Mann zuwende und diesen heirate, hätte er das Testament geändert und ihn nicht mehr zum Erben bestimmt.
Mit dieser Argumentation hatte die Tochter weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Oberlandesgericht Erfolg. Der Senat führte aus, es liege kein Anfechtungsgrund vor. Zwar sei der Erblasser bei Abfassung des Testaments von einer Fortdauer der Lebensgemeinschaft ausgegangen. Nach der Rechtsprechung sei ein solches Testament auch grundsätzlich unwirksam, wenn die zugrundeliegende Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe. Eine Ausnahme gelte aber, wenn anzunehmen sei, dass der Erblasser das Testament auch für diesen Fall so gewollt habe (sog. „hypothetischer Wille“). Eine solche Ausnahme liege vor:
Denn der vorliegende Fall, in dem eine Demenz die Fortführung einer Lebensgemeinschaft faktisch unmöglich mache, sei anders zu beurteilen als der Fall, in dem sich die Partner auseinanderlebten oder einer der beiden sich aus der Beziehung heraus in schuldhafter Weise einem neuen Partner zuwende. Vorliegend habe die Lebensgemeinschaft lediglich infolge der Demenz nicht in der bisherigen Weise fortgeführt werden können. Der Antragsteller habe den Erblasser im Pflegeheim regelmäßig besucht und damit seine fortdauernde Verbundenheit zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund sei von dem hypothetischen Willen des Erblassers auszugehen, dass das Testament Bestand haben solle.