Quelle: Pressemitteilung Nr. 64/2019 vom 11.11.2019 des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
Beschluss vom 24.09.2019 – AZ 1 UF 93/18
Eine ausländische Adoptionsentscheidung ohne persönliche Anhörung eines der beiden Adoptionsbewerber verstößt gegen den ordre public international. Sie ist in Deutschland nicht anzuerkennen. Das Anerkennungsverfahren kann diese Verfahrensmängel auch nicht heilen, entschied das Oberlandgericht Frankfurt am Main (OLG) in einem heute veröffentlichten Beschluss.
Die Antragsteller sind verheiratet und wohnen in Frankfurt am Main. Sie möchten die Entscheidung des High Court eines westafrikanischen Staats, womit die Adoption des dort geborenen Mädchens ausgesprochen wurde, in Deutschland anerkennen lassen. Die Antragstellerin hatte das Kind kurz nach der Geburt anlässlich eines Aufenthalts in dem westafrikanischen Staat aufgenommen. Der biologische Vater des Kindes hatte der Sorgerechtsübertragung zugestimmt und angegeben, dass die biologische Mutter verstorben war. Zudem hatte er sich mit der Ausreise des Kindes und einer Adoption durch die Antragsteller einverstanden erklärt.
Die Antragstellerin, das Kind und dessen Vater nahmen an einem Anhörungstermin vor dem High Court teil. Der Antragsteller war nicht persönlich anwesend. Im Anschluss an den Termin sprach das Gericht aus, dass das Kind von den Antragstellern als Kind angenommen wird.
Die Antragsteller beantragen, diesen Beschluss in Deutschland anzuerkennen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da die Anerkennung gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstoßen würde. Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsteller. Sie hatten auch vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Entscheidung des High Court könne nicht in Deutschland anerkannt werden, da sie mit dem ordre public international unvereinbar sei, stellt das OLG fest. Eine ausländische Entscheidung sei mit dem ordre public international unvereinbar, wenn „das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint“. Da das Recht der Entscheidungsanerkennung der Wahrung des internationalen Entscheidungseinklangs und der Vermeidung sog. hinkender Rechtsverhältnisse diene, sei die Versagung einer Anerkennung grundsätzlich auf Ausnahmefälle zu beschränken. Von grundlegender Bedeutung im Rahmen des materiellen ordre public sei nach deutschem Adoptionsrecht aber die Ausrichtung der Adoptionsentscheidung am Wohl des angenommenen Kindes. Die Prüfung beziehe sich dabei sowohl auf die materiellen Voraussetzungen als auch die Einhaltung der Verfahrensgrundsätze.
Hier lägen Abweichungen von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Umfang vor, dass nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden könne. Der Beschluss „beruht auf einer unzulänglichen Entscheidungsgrundlage, die nicht den Wesenskern eines am Kindeswohl ausgerichteten Verfahrens wahrt“, stellt das OLG fest. Eine den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts genügende Kindeswohlprüfung im Herkunftsland setze voraus, „dass der Entscheidung eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss und deshalb in der Regel nur durch eine ausländische Fachstelle geleistet werden kann“. Sei „eine Elterneignungsprüfung überhaupt nicht oder nur noch rein formalen Kriterien vorgenommen worden“, könne diese Adoptionsentscheidung nicht anerkannt werden. So liege es hier. Der Antragsteller sei vor dem High Court nicht persönlich angehört worden. Eine hinreichende und umfassende Eignungsprüfung könne sich nicht nur auf äußerliche Aspekte wie finanzielle Sicherheit, fehlende Vorstrafen und Gesundheit beschränken. Maßgeblich seien vielmehr auch „Erziehungsfähigkeit, Integrationswilligkeit und -fähigkeit, Fördermöglichkeit, das soziale Umfeld sowie andere Aspekte des persönlichen Verhältnisses zum nicht eigenen Kind“, erläutert das OLG. Erkenntnisse hierzu fehlten.
Da das Anerkennungsverfahren nicht an die Stelle des Adoptionsverfahrens trete, könnten die aufgezeigten Verfahrensmängel nicht im Anerkennungsverfahren behoben werden. Das Anerkennungsverfahren beschränke sich auf die inhaltliche Prüfung von Anerkennungshindernissen nach § 109 FamFG. Zudem sei „zu bedenken, dass es im Interesse aller potentiell betroffener Kinder liegt, das internationale Adoptionen in einem rechtsstaatlichen und kindeswohlorientierten Verfahren erfolgen“, betont das OLG. Erforderlich sei demnach die Wiederholung des Adoptionsverfahrens bzw. die Durchführung der Adoption in Deutschland – trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Frage, ob eine unvollständige Kindeswohlprüfung im ausländischen Adoptionsverfahren innerhalb des Anerkennungsverfahrens nachgeholt werden könne, erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
Erläuterungen:
§ 109 FamFG Anerkennungshindernisse
(1) Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist ausgeschlossen,
1. wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind;
2. wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte;
3. wenn die Entscheidung mit einer hier erlassenen oder anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung oder wenn das ihr zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist;
4. wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.