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OLG Frankfurt a.M.: Afghanische sog. Handschuh-Ehe kann in Deutschland wirksam sein

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 22/2024 vom 29.04.2024 – Beschluss vom 04.04.2024 – 6 UF 204/23

Eine in Abwesenheit eines Ehepartners in Afghanistan geschlossene sog. Handschuh-Ehe widerspricht nicht dem ordre public, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass für den Willen der Eheschließung selbst eine Stellvertretung vorliegt.  Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute veröffentlichter Entscheidung den Beschluss des Amtsgerichts, dass diese Ehe nicht aufzuheben, auf den Hilfsantrag hin aber zu scheiden ist.

Die Beteiligten, beide afghanische Staatsangehörige, haben im Januar 2022 in Afghanistan die Ehe in Form einer sog. Handschuh-Ehe geschlossen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, nicht aber der Antragsteller, der seit 2015 in Deutschland lebte. Seit der Verlobungsfeier 2019 telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden Videotelefonate statt. Im August 2022 flüchtete die Antragsgegnerin nach Deutschland und traf dort erstmals auf ihren Mann. Die Beteiligten hielten sich etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten auf. Aufgrund einer dann erfolgten Selbstmeldung und ihrer eigenen Alterseinschätzung wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche in Obhut genommen.

Der Antragsteller beantragt die Aufhebung der in Afghanistan geschlossen Ehe, hilfsweise die Scheidung. Er behauptet, die Antragsgegnerin habe nur zum Erhalt eines Visums für die Einreise nach Deutschland mit ihm die Ehe geschlossen.

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LG Lübeck: Der letzte Wille ist (nicht immer) eindeutig

Quelle: Pressemitteilung des Landgerichts Lübeck vom 18.04.2024 – Urteil vom 13.12.2023 – 6 O 206/22

Im Streit um das Erbe hatte das Landgericht Lübeck den Willen der Verstorbenen zu ermitteln. Das Ergebnis: Eines der Kinder wurde enterbt.

Was ist passiert?

Eine Familie ist zerstritten. Die Mutter setzt handschriftlich ein Schreiben mit Betreff Pflichtteilsentzug für eines ihrer Kinder auf. Jahre später verfasst die Mutter maschinell ein Schreiben, wonach im Falle ihres Todes ein Kind ihr Grundstück und Vermögen erhalten und ein anderes Kind vom Erbe ausgeschlossen sein soll. Die Mutter verstirbt, die Kinder streiten um das Erbe.

Vor dem Landgericht Lübeck meint das eine Kind, es liege kein wirksames Testament vor, er sei also gesetzlicher Erbe. Das Geschwisterkind entgegnet, es sei mit dem Schreiben der Mutter als alleiniger Erbe eingesetzt worden.

Was steht dazu im Gesetz?

Jeder kann durch ein Testament festlegen, wer nach seinem Tode erben soll (und wer nicht). Das Testament muss von Hand geschrieben sein, eine Unterschrift unter einem gedruckten Text reicht nicht aus. Das Gericht muss ermitteln, was die verstorbene Person regeln wollte (§ 2084 BGB). Wenn keine Erben benannt wurden, greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben Kinder zu gleichen Teilen (§ 1924 BGB). Sie können zwar enterbt werden, haben dann aber einen Anspruch auf einen Mindestanteil, den sogenannten Pflichtteil (§§ 2303 ff. BGB). In bestimmten Fällen kann dieser entzogen werden (§ 2333 BGB).

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht hat entschieden, dass es ein gültiges Testament gibt, in dem ein Kind enterbt wurde. Dabei hat das Gericht die Schreiben der Mutter sowie die Umstände vor und nach deren Erstellung berücksichtigt. Das maschinell geschriebene Dokument sei kein gültiges Testament, könne aber zur Interpretation des handschriftlichen Schreibens herangezogen werden. Daraus ergebe sich, dass die Mutter das Kind enterben wollte. Das lasse sich sowohl durch die familiären Umstände als auch frühere dahingehende Äußerungen der Mutter bestätigen.

Das Urteil vom 13.12.2023 (Az. 6 O 206/22) ist nicht rechtskräftig

BSG: Väter werden bei der Zuordnung von Kindererziehungszeiten nicht diskriminiert

Quelle: Pressemitteilung des Bundessozialgerichts Nr. 14 vom 18.04.2024 – Urteil vom 18.04.2024 – B 5 R 10/23 R

Es liegt keine verfassungswidrige Benachteiligung von Männern darin, dass Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zweifel bei der Mutter anerkannt werden. Das hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts heute entschieden (Aktenzeichen B 5 R 10/23 R).

Ebenso wenig wie die Vorinstanzen hat das Bundessozialgericht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Auffangregelung in § 56 Absatz 2 Satz 9 SGB VI. Danach wird die Erziehungszeit der Mutter zugeordnet, wenn die Eltern keine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Erziehungszeit abgegeben haben und eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vorliegt. Zwar führt die Anwendung der Auffangregelung zu einer unmittelbaren Benachteiligung des Kindsvaters. Die Ungleichbehandlung ist aber zur Verwirklichung des Gleichstellungsgebots ausnahmsweise gerechtfertigt. Indem die Erziehungszeit im Zweifel der Mutter zuordnet wird, werden faktische Nachteile ausgeglichen, die infolge der Erziehungsleistung beim Erwerb von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen und die Frauen weiterhin deutlich häufiger betreffen als Männer. Obgleich die Erwerbstätigenquote und teilweise auch der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern unter drei Jahren und auch darüber hinaus gestiegen ist, bleiben sie immer noch deutlich hinter denjenigen der Väter zurück. Diese, die Mütter bevorzugende Auffangregelung ist auch verhältnismäßig. Die übrigen Zuordnungsregelungen in § 56 Absatz 2 SGB VI lassen genügend Raum für eine Zuordnung der Erziehungszeit an einen männlichen Elternteil.

OLG Frankfurt a.M.: Scheidungsverfahren – Getrenntleben der Eheleute trotz gemeinsamer Wohnung

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 19/2024 vom 15.04.2024 – Beschluss vom 28.03.2024 – 1 UF 160/23

Die Eheleute streiten um den Zeitpunkt der wechselseitigen Auskunftsverpflichtung zum Trennungsvermögen im Rahmen ihres Scheidungsverfahrens. Wenn die Scheidung beantragt ist, kann jeder Ehegatte von dem anderen Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen (§ 1379 BGB). Dieser Auskunftsanspruch soll den Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten vor – für die Berechnung eines etwaigen Zugewinnanspruchs relevanten – Vermögensmanipulationen in der Trennungszeit verbessern. 

Die Annahme der Trennung der Eheleute erfordert ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung. Verbleibende Gemeinsamkeiten in Form gemeinsamer Mahlzeiten, der Vornahme von Erledigungen und Einkäufen für den anderen stehen der Trennung nicht entgegen, wenn sie sich als unwesentlich darstellen. Dies gilt auch für einen freundschaftlichen, anständigen und vernünftigen Umgang der Ehegatten miteinander, insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichter Entscheidung der Beschwerde der Ehefrau auf Feststellung eines früheren Trennungszeitpunkts Recht gegeben.

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OLG Frankfurt a.M.: Datin-Plattform – Zweifel an der Vaterschaft

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 18/2024 vom 09.04.2024 – Beschluss vom 01.02.2024 – 1 UF 75/22

Ein Kennenlernen über eine Dating-Plattform allein begründet keine schwerwiegenden Zweifel gegen die gesetzliche Vaterschaftsvermutung wegen Verdachts des Mehrverkehrs.

Bei der Feststellung, ob schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft vorliegen, reicht ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus. Insbesondere aus der Tatsache, dass sich die Mutter des Kindes und der Putativvater über ein Internetportal kennengelernt haben, drängt sich nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit mit Anderen geschlechtlich verkehrt hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichte Entscheidung die Beschwerde des (Putativ)Vaters gegen den seine Vaterschaft feststellenden Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen.

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BVerfG: Gesetzliche Regelungen über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter sind mit dem Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) unvereinbar

Quelle: Pressemitteilung Nr. 35/2024 vom 09.04.2024 – Urteil vom 09.04.2024 – 1 BvR 2017/21

Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Sie trägt dem Elterngrundrecht leiblicher Väter nicht hinreichend Rechnung. Diese gehören zu den Eltern im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) und können sich auf das Elterngrundrecht ebenso wie die rechtlichen Eltern des Kindes berufen.

Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Er kann dabei — abweichend vom bisherigen Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) — die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält er dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf zwei Elternteile fest, muss zugunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden. Letzterem genügt das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen.

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BFH: Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 016/24 vom 21.03.2024 – Urteil vom 07.11.2023 – VIII R7/21

Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf löst keine Einkommensteuer aus. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 07.11.2023 – VIII R 7/21 entschieden.

Die miteinander verheirateten Ehegatten schlossen im Jahr 2008 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Im Jahr 2016 widerriefen sie den Darlehensvertrag unter Berufung auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Auf der Grundlage eines zivilgerichtlichen Vergleichs zahlte die Bank an die Eheleute Nutzungsersatz für bis zum Widerruf erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 €. Das Finanzamt erfasste den Nutzungsersatz als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Dem ist der BFH entgegengetreten. Der Nutzungsersatz sei kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Rückabwicklung eines vom Darlehensnehmer widerrufenen Darlehensvertrags (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB– a.F.; jetzt § 357b BGB) vollziehe sich außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre. Das Rückgewährschuldverhältnis sei ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln, weshalb die einzelnen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis auch nicht für sich betrachtet –im Sinne einer unfreiwilligen Kapitalüberlassung– Teil einer steuerbaren erwerbsgerichteten Tätigkeit sein könnten. Es lägen auch keine sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG vor. Dem stehe entgegen, dass die bei der gebotenen Einheitsbetrachtung aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags vereinnahmten Einzelleistungen nicht in der Erwerbssphäre angefallen seien.

OLG Oldenburg: Erbeinsetzung auf einem Kneipenblock

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Oldenburg Nr. 10/2024 vom 13.03.2024 – Urteil vom 13.03.2024 – 3 W 96/2023

Dass ein Testament nicht zwingend auf einem weißen Blatt Papier entstehen muss, zeigt ein Fall des 3. Zivilsenates. Verstorben war ein Gastwirt aus Landkreis Ammerland. Seine Partnerin sah sich als Erbin und beantragte die Erteilung eines Erbscheins. Als Testament legte sie dem Gericht einen Kneipenblock vor, den sie im Gastraum hinter der Theke aufgefunden habe. Dort war unter Angabe des Datums und einer Unterschrift auch der Spitzname einer Person (hier „X“ genannt) vermerkt. Auf dem Zettel hieß es lediglich „X bekommt alles“.

Das Amtsgericht Westerstede sah die Partnerin nicht als Erbin an. Es war der Auffassung, dass nicht sicher feststellbar sei, dass mit dem Kneipenblock ein Testament errichtet werden sollte. Daher fehle der für ein Testament erforderliche Testierwille.

Der auf das Erbrecht spezialisierte Senat des Oberlandesgerichts gelangte zu einer anderen Bewertung. Der handschriftliche Text auf dem Zettel sei ein wirksames Testament. Der Senat war aufgrund der Einzelheiten des Verfahrens überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück selbst verfasst hatte und dass er mit dem genannten Spitznamen allein seine Partnerin gemeint habe. Auch dass der Erblasser mit der handschriftlichen Notiz seinen Nachlass verbindlich regeln wollte, stand für den Senat aufgrund von Zeugenangaben fest. Dass sich die Notiz auf einer ungewöhnlichen Unterlage befinde, nicht als Testament bezeichnet und zudem hinter der Theke gelagert war, stehe der Einordnung als Testament nicht entgegen. Zum einen sei es eine Eigenart des Erblassers gewesen, für ihn wichtige Dokumente hinter dem Tresen zu lagern. Zum anderen reiche es für die Annahme eines Testaments aus, dass der Testierwille des Erblassers eindeutig zu ermitteln sei und die vom ihm erstellte Notiz seine Unterschrift trage. Der Senat stellte die Partnerin daher als rechtmäßige Erbin fest.

Zum Hintergrund:

Die Anforderungen an ein Testament sind in § 2247 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt, der folgenden Wortlaut hat:

§ 2247 Eigenhändiges Testament

(1) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten.

(2) Der Erblasser soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat.

(3) Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten. Unterschreibt der Erblasser in anderer Weise und reicht diese Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung aus, so steht eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen.

(4) …

(5) …

BFH: Anspruchsvorrang des am Monatsanfang Kindergeldberechtigten

Quelle: Pressemitteilung Nr. 013/24 vom 07.03.2024 – Urteil vom 18.01.2024 – III R 5/23

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18.01.2024 – III R 5/23 entschieden hat, bestimmt sich die Frage, welcher von mehreren in demselben Monat kindergeldberechtigten Personen der vorrangige Anspruch zusteht, danach, wer zu Beginn des fraglichen Monats die Voraussetzungen einer vorrangigen Kindergeldberechtigung erfüllt.

Der Kläger und sein Lebenspartner nahmen am 07.12.2020 das im November 2020 von einer obdachlosen Mutter zur Welt gebrachte Kind in ihren Haushalt auf und wurden dadurch zu dessen Pflegeeltern. In ihrem Verhältnis zueinander bestimmten die Pflegeeltern den Kläger zum Berechtigten. Die Familienkasse gewährte ihm das Kindergeld ab Januar 2021, lehnte es jedoch für die Monate November und Dezember 2020 ab. Infolgedessen versagte die Familienkasse dem Kläger auch den Kinderbonus für das Jahr 2020. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Klage im Hinblick auf das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 und ebenso im Hinblick auf den Kinderbonus 2020 als begründet an. Diese Auffassung teilte der BFH nicht und hob deshalb das Urteil des FG auf, soweit es der Klage stattgegeben hatte.

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OVG Berlin-Brandenburg: Pflicht zur Vorlage eines Masernimmunitätsnachweises für schulpflichtige Kinder

Quelle: Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Nr. 9/24 vom 01.03.2024 – Beschlüsse vom 28.02.2024 – OVG 1 S 80/23 u.a.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in mehreren Eilverfahren die Beschwerden von Eltern schulpflichtiger Kinder gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin zurückgewiesen, wonach Gesundheitsämter für den Schulbesuch den Nachweis einer Impfung oder Immunität gegen Masern fordern dürfen, sofern keine Kontraindikation besteht. Für den Fall, dass der Nachweis nicht vorgelegt wird, kann auch ein Zwangsgeld angedroht werden (vgl. VG-Pressemitteilung Nr. 39/2023 v. 25.9.2023).

Zur Begründung hat der 1. Senat u.a. ausgeführt, die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes zur Nachweispflicht seien angesichts der hochansteckenden Viruskrankheit mit möglicherweise schwerwiegenden Komplikationen nicht offenkundig verfassungswidrig. Zwar greife die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ein. Die Regelung sei aber verhältnismäßig, weil sie – wie das Bundesverfassungsgericht bereits zur Nachweispflicht bei noch nicht schulpflichtigen Kindern entschieden habe (Beschluss v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. -) einen legitimen Zweck verfolge und nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehe. Der Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes sei von einer grundsätzlich bestehenden „Impfpflicht“ bzw. „verpflichtenden Impfung“ ausgegangen. Er habe lediglich von deren Durchsetzung im Wege des unmittelbaren Zwangs abgesehen. Andere Zwangsmittel wie Zwangsgeld und Geldbuße seien hingegen vorgesehen, um eine tatsächliche Erhöhung der Impfquote in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen – und damit letztlich in der gesamten Bevölkerung – zu erreichen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.