Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12.08.2024 – 33 Wx 294/23
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 12.08.2024 (Az. 33 Wx 294/23) behandelt die Anforderungen an den Nachweis der Echtheit eines Testaments, insbesondere im Hinblick auf die Eigenhändigkeit (§ 2247 BGB), sowie die Aufteilung der Verfahrenskosten in Erbscheinverfahren.
Kernaussagen der Entscheidung:
1. Keine Vermutung der Urheberschaft:
- Es gibt keine gesetzliche Vermutung, dass ein Schriftstück mit dem Namenszug des Erblassers tatsächlich von diesem stammt.
- Die Beurteilung der Echtheit eines Testaments erfordert einen objektiven Nachweis, insbesondere durch ein Sachverständigengutachten, sofern keine anderen belastbaren Beweismittel vorliegen.
2. Nachweis durch Sachverständigengutachten:
- Die Echtheit des Testaments wurde im vorliegenden Fall durch ein Schriftsachverständigengutachten festgestellt.
- Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Erblasser selbst das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat.
3. Anforderungen an den Beweis:
- Für den Nachweis der Eigenhändigkeit eines Testaments genügt eine für das praktische Leben brauchbare Gewissheit, die vernünftige Zweifel ausschließt. Absolute Sicherheit ist nicht erforderlich.
- Das Nachlassgericht hat von Amts wegen (§ 26 FamFG) alle relevanten Tatsachen zu ermitteln, wenn Zweifel an der Echtheit des Testaments bestehen.
4. Testierfähigkeit des Erblassers:
- Die Testierfähigkeit wurde gesondert geprüft, da der Erblasser an einem Glioblastom litt, einer schwerwiegenden Hirnerkrankung, die potenziell die Testierfähigkeit beeinträchtigen kann.
- Ein Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen stellte fest, dass die Erkrankung des Erblassers seine freie Willensbildung nicht ausgeschlossen hat. Daher wurde die Testierfähigkeit bejaht.
5. Verfahrenskosten:
- Die Kosten der Beweisaufnahme wurden der Begünstigten (hier: der Schwester des Erblassers) auferlegt, weil ihr das Ergebnis der Beweisaufnahme zugutekam.
- Es wurde betont, dass das Nachlassgericht von Amts wegen tätig werden muss, wenn Zweifel an der Echtheit eines Testaments bestehen. Deshalb trifft die Kostenlast diejenige Partei, die von der Beweisaufnahme profitiert.
Bedeutung der Entscheidung:
A. Sicherung der Testamentsauthentizität:
- Die Entscheidung unterstreicht, dass ein Testament keine automatische Gültigkeitsvermutung genießt. Diejenige Partei, die sich auf ein Testament beruft, trägt die Beweislast für dessen Echtheit.
B. Klarstellung der Amtsermittlungspflicht:
- Das Nachlassgericht ist verpflichtet, Zweifel an der Echtheit eines Testaments aufzuklären. Dies schließt die Einholung eines Sachverständigengutachtens ein, wenn das Schriftbild auffällig ist oder der Erblasser aufgrund seiner persönlichen Situation (z. B. Krankheit) in Zweifel gezogen werden könnte.
C. Rolle der Sachverständigen:
- Die Entscheidung betont die Bedeutung von Schriftsachverständigen und psychiatrischen Gutachtern in Fällen, die sowohl die Echtheit eines Testaments als auch die Testierfähigkeit betreffen.
D. Kostenverteilung nach Nutzen:
- Die Kostenzuordnung an die Begünstigte des Testaments verdeutlicht, dass diejenige Partei, die von einer gerichtlichen Maßnahme profitiert, auch deren Kosten tragen sollte.
Praktische Implikationen:
- Für Nachlassgerichte:
- Zweifel an der Echtheit eines Testaments oder an der Testierfähigkeit des Erblassers müssen sorgfältig durch Sachverständige geprüft werden.
- Entscheidungen zur Kostenverteilung sollten den Nutzen der Beweisaufnahme für die Beteiligten berücksichtigen.
- Für Erben und Beteiligte:
- Wer sich auf ein Testament beruft, sollte darauf vorbereitet sein, dessen Echtheit und die Testierfähigkeit des Erblassers notfalls durch Gutachten zu belegen.
- Zweifel an der Echtheit eines Testaments oder an der Testierfähigkeit des Erblassers sollten gut begründet werden, da andernfalls eine Verfahrensverzögerung nicht gerechtfertigt ist.